Kurzzusammenfassung

TRANSHUMANCE / INALP 2009

«Die Stille, die Klänge des Bauernhofs haben meine Kindheit geprägt… Mechanische Geräusche : landwirtschaftliche Werkzeuge, die Geräusche der Tiere : Kühe, Hühner, Hunde, Katzen. Sonntage und Sommerferien verbrachten wir auf der Alp im Waadtländer Jura.
Glockenläuten antwortete dem Summen der Mücken, die an der Decke und um die Tiere herumschwirrten. Ich erinnere mich an lange Nachmittage voller Nichtstun, an Siestas im überheizten Dachzimmer des Chalets oder auf den Weiden inmitten der Enziane, an Erdbeer — und Himbeerpflücken im Unterholz. Der Sommer, in der Ebene, war die grosse Arbeitssaison auf dem Feld : Heu, Stroh. Die Presse, der Traktor, der Heulift, der Mähdrescher liefen den ganzen Tag. Das Jahr tönte im Rhythmus der Melkmaschine und dem Atem der Tiere im Stall. Ich habe meine Kindheit auf dem Land verbracht. Wenn die Landwirtschaftsmaschinen still standen und die Kühe schliefen, gab es kein Geräusch mehr» Béatrice Graf


Als Tochter von Bauern Deutschschweizer Herkunft (Bern und Appenzell) im Kanton Waadt geboren und in Genf wohnhaft, schlägt Beatrice Graf mit dem Verein Sémaphore ein Jahr Performances auf den Feldern des Alltags vor, ein Jahr künstlerischen Alpaufzugs und — abzugs (Transhumance) ausserhalb der gewohnten Spielorte. Die Künstlerin kehrt damit zurück zum Ursprung einer lokalen Wirtschaft und verfolgt einen Weg weiter, den sie vor Jahren auf ihren Reisen aufgenommen hat. Im Rhythmus der Jahreszeiten, in der Stadt und in den Dörfern, auf einem Schulplatz und an einem Wegrand, um die Ecke eines Stalls oder im Weinberg, Musik zeichnet sich unter den Künsten durch die einzigartig spontane Art aus, mit der sie gespielt werden kann. Sie verleiht so dem «Geist eines Orts» Ausdruck. Indem sie sich bewusst ausserhalb des gewohnten Kontextes stellt, bringt Beatrice Graf einerseits ihr Werk einem anderen Publikum näher und eröffnet andererseits der Musik neue Horizonte. Diese Arbeit entspricht einer Improvisation, die wie eine Komposition in Realzeit konstruiert ist. Der rote Faden dieses Transhumance-Jahres ist die kulturelle Mediation, dieses immer wieder von neuem begonnene Knüpfen von Beziehungen zwischen Künstler und Gesellschaft. Im Rahmen von Transhumance spielt sich diese Mediation auf zwei Ebenen ab, dank einer Serie von Performances in allen Landesecken : die Beziehung zwischen Künstler und unvoreingenommenem Publikum und die Beziehung zwischen den oft in gegenseitiger Gleichgültigkeit befangenen Schweizer Sprachregionen. Das Transhumance-Jahr wird in Form von Tonaufnahmen und Video-Reportagen festgehalten. Im Herbst findet in der Villa Bernasconi ein Spezialprogramm statt mit den Musiker-Partnern von Beatrice Graf und anderen Besuchern, die im Lauf der Jahreszeiten und der Spielorte dazu gestossen sind. Das la Bâtie-Festival de Genève ist ein co–produzenz dieses Projekt.